JOE MEEK


 

Joe Meek - ein Portrait

Teil 8: Tendenz: fallend

( here!)

 

 

Ausbleibende Hits

Have I The Right blieb der letzte große Erfolg aus Joe Meeks Werkstatt, weitere große Würfe gelangen ihm nicht mehr. Er wurde seine neuen Produktionen plötzlich nur noch mit Mühe los; viele der Türen, die ihm bis dahin stets geöffnet worden waren, blieben nun verschlossen. Meek geriet darüber nach einiger Zeit in Panik. Er bot seine Produktionen schließlich derart wahllos an, dass selbst gute Aufnahmen, die aus heutiger Sicht durchaus das Zeug zum Hit gehabt hätten, untergingen. Die Telstar-Tantiemen blieben weiter gesperrt, und die Hits der vergangenen Saison brachten kein Geld mehr.

Die oft geäußerte Behauptung, Meek habe spätestens ab 1965 den musikalischen Anschluss verpasst, ist naheliegend. Wirft man einen Blick auf das Foto links oben, dann sieht man eindeutig einen Rock 'n' Roller - aber das Bild stammt aus dem Jahr 1966. Untersucht man die Entwicklung der damaligen Musikszene aber genauer, wird schnell deutlich, dass Meek mit seinem Problem keineswegs allein dastand. Die Frisur zeigt zwar, aus welcher Ära Meek stammte, aber darin lag nicht der Grund für seine plötzliche Talfahrt.

Ein wesentlicher Grund ist schon im Kapitel 5 im Zusammenhang mit Phil Spector genannt worden: Meek produzierte eine unglaubliche Anzahl von Aufnahmen. Statt sich auf eine überschaubare Zahl tatsächlich tragfähiger Bands, Sänger und Kompositionen zu konzentrieren, plagte sich Meek mit immer wieder neuen talentfreien Sangessternchen ab und investierte unendlich viel Energie in zweit- und drittrangige Kompositionen, die verlustfrei unveröffentlicht hätten bleiben können. (Die Doppel-CD They Were Wrong! ist randvoll mit solchen Aufnahmen, siehe hier.)

 

Neue Produzentenszene

Die Poplandschaft der Mittsechziger war durch einige grundsätzliche Veränderungen gekennzeichnet. Die wichtigste: Die große Zeit der Arbeitsteilung zwischen Songschreibern und Interpreten ging zu Ende. Seit den Erfolgen insbesondere der Beatles und Bob Dylans übernahmen immer mehr Bands und Solosänger das Ruder, die ihr Material selbst schrieben.

Damit aber war auch die Rolle des Musikproduzenten in Frage gestellt. Der herkömmliche Produzent, der nach Gutsherrenart über "seine Künstler" bestimmte, der Songs für sie aussuchte und ihnen nach Belieben Image, Kleidungsstil und Pseudonyme zudiktierte, war für diese neuen Musiker uninteressant. Sie brauchten Produzenten, die das individuelle Talent der Musiker erkannten und Arbeitsbedingungen herstellten, unter denen diese ihre Ideen ausarbeiten konnten.

Joe Meek gehörte ohne Frage zu den "Gutsherren", und wie viele andere seiner Kollegen hatte er große Probleme, auf diesen neuen Künstlertypus angemessen zu reagieren. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, was Meek mittel- und langfristig wohl getan hätte. Immerhin jedoch zeigen einige seiner Produktionen aus den Jahren 1965 und 1966, dass er seinen neuen Bands größere Autonomie einräumte und dass er seinen Sound und seine Arbeitsweise an die neuen Gegebenheiten anzupassen versuchte. Zu unentschlossen sicherlich noch, aber immerhin, er reagierte.

 

Der fatale Fehler

Aus heutiger Sicht sagt es sich leicht; Meek selbst hat es damals sicher nicht sehen können. Dennoch: Meek hat seinen wahrscheinlich fatalsten Fehler Ende 1964 gemacht, als er 14000 Pfund aus dem Fenster warf, um seinen Geschäftspartner Wilfred Alonzo "Major" Banks aus der gemeinsamen Firma RGM Sound Ltd. auszukaufen (vgl. Kap. 2). Das war praktisch sein gesamter Gewinnanteil aus Have I The Right, und er zog sich mit dieser Ausgabe selbst den Teppich unter den Füßen weg. Dass das keine Übertreibung ist, wird auch hier wieder deutlich, wenn man die Beträge auf heutige Einkommensverhältnisse umrechnet: Heute würde der Betrag etwa 450.000 Pfund entsprechen (= knapp 500.000 Euro oder 730.000 US-Dollar). Mit diesem Geld hätte Meek problemlos etliche Jahre ohne einen Cent Einkommen überwintern können.

Meek, das gehört zur Tragik seiner Geschichte, hat in seinem permanenten Misstrauen nie begriffen, dass der "Major" zu keinem Zeitpunkt sein Gegner war. Banks war einfach ein guter Kaufmann, und er tat genau das, was Meek nicht konnte: Er achtete aufs Geld. Dass die Firma mit dieser Arbeitsteilung hervorragend gefahren ist, wurde bereits im Kapitel 2 geschildert.

Leider blieb das Geld nicht Meeks einziges Problem.

 


Quellen s. Teil 13


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© 2006 Jan Reetze

last update: Dec 28, 2009