Joe Meek - ein Portrait Teil 10: Der Fall EMI( here!)
Ende 1965 hatte George Martin, der als Hausproduzent und A&R-Chef des Parlophone-Labels bei der EMI angestellt war, das "Rubber Soul"-Album der Beatles fertiggestellt und forderte eine Gehaltserhöhung. Die wurde ihm verweigert. Martin verabschiedete sich daraufhin von der EMI und gründete zusammen mit einigen anderen wichtigen EMI-Mitarbeitern eine eigene Produktionsfirma (A.I.R.), später auch ein eigenes Studio. Ein herber Verlust für die EMI, nicht zuletzt, weil mit Martin auch einige Künstler die Firma verließen. Abgelehnt worden war die Gehaltserhöhung von EMI-Vorstandsmitglied Sir Joseph Lockwood (1904-1991). Dieser war eine ambivalente Gestalt: Einerseits galt er schon damals als Visionär; mit dem Kauf der amerikanischen Firma Capitol Records hatte er die EMI vor der drohenden Pleite bewahrt, und er war überzeugt davon, dass die Zukunft der Firma nicht länger in der Klassik-, sondern der Popmusikproduktion liegen würde. Bei den Künstlern war er beliebt und kam wunderbar mit ihnen klar. Bei den Angestellten dagegen war er gefürchtet. Für diesen Ruf sorgte er systematisch selbst; durch kleinliche und extrem konservative Anordnungen stellte er sich bewusst als unnahbar dar. (Lockwood war schwul. Das war szenebekannt und machte die EMI zur ersten Adresse bei schwulen Managern und Künstlern, aber in seiner Position hätte er dies damals auf keinen Fall publik werden lassen dürfen. Das dürfte der Hauptgrund für sein widersprüchliches Verhalten gewesen sein.)
Sir Joseph Lockwood, 1963 Sir Joseph musste einen Nachfolger für George Martin finden. Er kannte Meek und hielt viel von ihm, zudem schätzte er dessen desolate Lage richtig ein. Er wusste selbstverständlich, dass Meek nicht ohne weiteres in die ziemlich großen Stiefel hineinpassen würde, die Martin hinterlassen hatte. Schon wegen der akademischen Musikausbildung, die Martin besaß und für seine Aufgaben auch brauchte, wäre Meek als direkter Nachfolger Martins kaum vorstellbar gewesen, auch Meeks kaufmännisches Unvermögen war Sir Joseph zweifellos bekannt. Meeks Fähigkeiten als Pop-Produzent und Talentsucher erschienen ihm dennoch interessant genug, um Meek einen Job als Hausproduzent und Toningenieur in den EMI Recording Studios (den späteren Abbey Road Studios) anzubieten. Wohlweislich legte Sir Joseph allerdings fest, dass alle finanziellen Entscheidungen, die Meek treffen würde, über seinen (Lockwoods) Schreibtisch zu gehen hatten. Das Meek angebotene Gehalt dürfte sich zwischen 2500 und 3000 Pfund jährlich bewegt haben; George Martins Jahresgehalt zu jener Zeit jedenfalls betrug 3000 Pfund; damals etwa das Drei- bis Vierfache eines durchschnittlichen Angestelltengehalts. (Heute entspräche der Betrag ungefähr 100.000 Euro oder 150.000 US-Dollar. In der Tat war das kein Traumgehalt für den Produzenten, der immerhin die Beatles zur EMI geholt hatte, aber Lockwood hatte seinen hausinternen Spitznamen "Joseph Tightwad" schließlich nicht von ungefähr.) Dies wäre - unabhängig von der Gehaltssumme - eine der wohl exponiertesten Positionen gewesen, die man einem Musikproduzenten damals überhaupt hätte anbieten können. Man sollte annehmen, dass Meek dieses Jobangebot wie ein Haupttreffer im Lotto erschienen sein müsste. Meek aber war offenkundig nicht mehr imstande, das Angebot einzuordnen. Einerseits geht aus Briefen hervor, dass er sich bereits ausmalte, wie sein Büro im EMI-Haus aussehen würde, doch andererseits missfiel ihm, dass ihn dieser Job seine Unabhängigkeit kosten würde. Vor allem aber vermutete er in dem Angebot in erster Linie wieder nur einen neuen Trick der Konkurrenz, seine Ideen zu klauen. Zudem war Meek schwer medikamentenabhängig. Ohne dieses Problem gelöst zu haben wäre er zu kaum einer sinnvollen Arbeitsleistung mehr fähig gewesen. Man kann davon ausgehen, dass Sir Joseph das wusste und dass dieses Thema in seinem Angebot eine Rolle gespielt hat. Meek kam zu keinem Entschluss. Am 17. Januar 1967 schließlich bat ihn Sir Joseph zu sich ins Büro, um endlich eine Entscheidung herbeizuführen. Meek nahm seinen Anwalt mit zu der Besprechung. Der Gesprächsverlauf ist nicht bekannt, nur das Ergebnis: Joe Meek sagte Nein.
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