Joe Meek - ein Portrait Teil 2: Triumph Records, RGM Sound Ltd., 304 Holloway Road, Meeksville Sound Ltd. ( here!)
It's A Triumph! Joe Meek hatte eine in damaligen Studios höchst unwillkommene Eigenschaft: Er hatte eigene Ideen. Das war unerhört. Damals waren Toningenieure Gestalten im weißen Kittel, die die Anweisungen des Produzenten ausführten und ansonsten den Mund hielten. Da Meek das nicht tat, hatte er alsbald jede Menge Streit mit nahezu jedem, und deswegen stellte ihm das Lansdowne-Studio nach einiger Zeit den Stuhl vor die Tür. Deswegen, aber auch, um sich neuerliche Klinkenputzerei bei Plattenfirmen zu ersparen, beschloss Meek Anfang 1960, das Geld, das ihm aus seiner Komposition Put A Ring On Her Finger zugeflossen war, in eine eigene Plattenfirma zu stecken. In den USA war das auch damals schon nichts Besonderes mehr (um 1960 zählte man in den USA um die 1500 Independent-Labels, Mitte der 60er waren es bereits an die 3000), im England des Jahres 1960 aber war das noch sehr ungewöhnlich; es gab nicht mehr als eine Handvoll solcher Firmen (Oriole und Ember Records dürften die wohl bekanntesten gewesen sein). Gelegentlich findet man die Feststellung (lange Zeit auch hier auf diesen Seiten), Meek sei "der erste europäische Independent-Produzent" gewesen, aber das kann so nicht aufrechterhalten werden. Tatsächlich gebührt diese Ehre dem schon erwähnten Jazz-Produzenten Denis Preston (1916 - 1979), der bereits lange vor Meek auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko mit Jazzbands Musikaufnahmen produzierte und sie etablierten Plattenfirmen zur Übernahme anbot. Preston war auch der erste Independent-Produzent Europas, der ein eigenes Studio gründete (eben das erwähnte Lansdowne-Studio), dem er später auch ein Plattenlabel gleichen Namens anschloss. Erfunden allerdings hat auch Preston dieses Verfahren nicht; er kannte es aus den USA, wo es längst gang und gäbe war. Meek hat das Prinzip der Independent-Produktion als Prestons Mitarbeiter kennengelernt und für sich übernommen. Das Resultat hieß Triumph Records.
Triumph-Lochhülle Doch die Firma machte ihrem Namen keine Ehre. Dafür gab es zwei Hauptgründe: Zum einen gab Meek schlicht zuviel Geld für teure Produktionen aus, der zweite Grund war das Partnerunternehmen Saga Records. Diese Firma nämlich sollte den Vertrieb der Triumph-Platten übernehmen, doch sie war auf die Distribution von Filmmusik und preiswerter Klassik spezialisiert und vermochte deshalb Meeks Pop-Produktionen nicht angemessen im Handel zu placieren. (Es gab weitere Gründe, aber an dieser Stelle sollen diese Angaben genügen. Wenn Sie die komplette Triumph-Story kennenlernen möchten, finden Sie sie hier in einem eigenen Kapitel!) Unter dem Triumph-Label sind dennoch immerhin elf von Meek produzierte Singles erschienen; alle mit dem Präfix "RGM" (seine Initialen: Robert George Meek) vor der Bestellnummer. Zehn davon floppten mehr oder weniger, und als im Sommer 1960 die elfte schließlich abhob (Angela Jones, gesungen von Michael Cox), hatte sich Meek bereits aus der Firma zurückgezogen.
RGM Sound Ltd. Nach dem Scheitern seiner Plattenfirma tat Meek das Nächstliegende: Mit seinen Künstlern produzierte er weiterhin in eigener Regie Aufnahmen und kehrte notgedrungen zum Klinkenputzen bei den großen Plattenfirmen zurück, denen er seine Produktionen zur Übernahme anbot. So einleuchtend diese Idee zunächst klingt, sie hat einen Haken: Der Produzent gibt die Kontrolle über das Stück aus der Hand. Ist die Aufnahme einmal an eine Plattenfirma lizenziert, hat er keinen Einfluss mehr darauf, was die Plattenfirma damit macht und auf welche Weise sie die Platte vermarktet. Zudem muss man wissen, dass Independent-Produzenten bei den etablierten Plattenfirmen der damaligen Zeit keineswegs gern gesehene Besucher waren. Die Plattenfirmen hatten ihre eigenen Hausproduzenten und ihre eigenen A&R-Abteilungen, und üblicherweise sahen sie überhaupt keinen Grund, Hilfe von außen anzunehmen. Das Geschäft des Independent-Produzenten konnte deshalb nur über persönliche Kontakte laufen - und die mussten erst einmal hergestellt werden.
Wilfred Alonzo "Major" Banks, ca. 1961 Zum Saga-Vorstand gehörte auch Wilfred Alonzo Banks, genannt "der Major", ein hinsichtlich seiner Geschäftsmethoden nicht immer ganz unumstrittener Ex-Major und Spielzeuggroßhändler. Er hatte Meeks Aktivitäten schon einige Zeit aus dem Hintergrund beobachtet und witterte nun Erfolg. Er machte Meek den Vorschlag, eine gemeinsame Firma zu gründen (RGM Sound Ltd.), zahlte ihm ein wöchentliches Gehalt von 20 Pfund, bis die Firma Gewinne abwarf, und finanzierte ihm ein eigenes Studio. Dort würde Meek werkeln können, ohne dass ständig die Uhr tickte wie in gemieteten Tonstudios.
RGM-Briefkopf
304 Holloway Road Meek sah sich in der Umgebung des Saga-Büros nach geeigneten Räumen für das Studio um und fand drei leerstehende handtuchschmale Stockwerke über einem Koffer- und Handtaschenladen an der Holloway Road 304 - einer vierspurigen Ausfallstraße in Islington, einer der wohl trübsinnigsten Ecken im Londoner Norden. Kein normaler Mensch wäre je auf die Idee verfallen, in solch einem verbauten und ständig vom Straßenlärm umtosten Wohnhaus (!) ein Tonstudio zu betreiben - Meek aber tat genau das. Mit tatkräftiger Hilfe des Musikers Dave Adams (mehr über ihn hier), der gelernter Zimmermann war, baute Meek zwei Zimmer in der mittleren der drei Etagen als Studio aus, wobei Wohn- und Arbeitsräume ineinander übergingen. Hier wohnte und arbeitete Meek bis zu seinem Tod.
304 Holloway Road, Joe Meek vor dem Eingang Mit den vorher bereits geknüpften Kontakten zu den Artists & Repertoire-Abteilungen verschiedener Plattenfirmen, den Triumph-Erfahrungen und dem Angela-Jones-Hit im Gepäck ließen sich Firma und Vertrieb nun deutlich besser an. Zu den wichtigsten Abnehmern der RGM-Produktionen gehörten bald schon hochkarätige Labels wie HMV (His Master's Voice), Parlophone, Decca und Pye. Die meisten Platten trugen den Hinweis "RGM Sound Production" (ab 1964 "Meeksville Sound Production") auf dem Label. Und Meek verkaufte seine Produktionen keineswegs billig. Der Vertrag zwischen Meek und Banks sah vor, dass alle Einnahmen 50:50 geteilt werden sollten. Banks bezog dies auch auf die Tantiemen, die Meek als Komponist und Texter zufließen würden. Der wiederum war der (urheberrechtlich korrekten) Ansicht, diese Einnahmen stünden ihm allein zu und schrieb deshalb weiterhin unter seinem früheren Pseudonym Robert Duke. Da Banks aber schon bald ahnte, wer dieser "Robert Duke" wirklich war, kam es 1962 zu einer Auseinandersetzung, in der Meek durchsetzen konnte, dass diese Vertragsklausel gestrichen wurde. Alle Tantiemen verblieben von nun an bei ihm, und von diesem Moment an verzichtete Meek auch weitgehend auf seine Pseudonyme. (Mehr zu Meeks Pseudonymen und Kompositionen finden Sie hier.) Banks kontrollierte in der Firma jede Kleinigkeit und konnte damit ein ausgesprochener Quälgeist sein. Nicht etwa, weil er Meek als Gegner angesehen hätte (eher im Gegenteil, Banks bewunderte dessen Fähigkeiten als Produzent), sondern weil er einfach ein guter Geschäftsmann war und schon zu Triumph-Zeiten mitbekommen hatte, was passierte, wenn man Meek freien Zugriff auf die Scheckbücher gewährte. Meek dagegen war, was die kaufmännische Seite der Firma betraf, ebenso desinteressiert wie ahnungslos, fühlte sich zudem stets und ständig von Banks hintergangen, ließ selbst aber anscheinend keinen Hintertreppentrick aus, um diesen um seine Gewinnanteile zu prellen. Meek schob zudem alle unangenehmen Aufgaben an Banks ab, reagierte selbst aber hypersensibel, wenn dieser etwas von ihm wollte. Auf der anderen Seite brüteten die beiden einige wirklich clevere Ideen aus, zum Beispiel diese: Die meisten Kompositionen von Meek wurden von dem Musikverlag Campbell Connelly & Co Ltd. veröffentlicht. Meek und Banks gelang es, diese Firma zur Gründung einer Tochterfirma zu überreden und Radio Luxembourg dazu zu bringen, sich mit 50 Prozent der Geschäftsanteile an ihr zu beteiligen. Diese Firma wurde Ivy Music Ltd. genannt und verlegte hinfort die meisten von Meeks Kompositionen. Die Idee hinter dieser Konstruktion: Für jede Platte, die Radio Luxembourg spielte, hatte der Sender Tantiemen zu zahlen, von denen ein Teil an den jeweiligen Musikverlag ging. Wenn Radio Luxembourg nun aber Kompositionen spielte, die bei Ivy Music erschienen waren, floss ein Teil der Tantiemen wieder in die eigene Kasse zurück. - Meek musste den Sender von da an nicht mehr lange überreden, Meek-Kompositionen zu spielen. Zwischen Meek und Banks kriselte es dennoch stetig; Hauptgrund dafür war Meeks ständiges Misstrauen. Ende 1964, mit den Tantiemen aus dem Hit Have I The Right, zahlte Meek seinen Geschäftspartner schließlich mit 14000 Pfund aus. Damit man sich unter diesem Betrag etwas vorstellen kann: 14000 damalige Pfund würden in der heutigen Zeit etwa 450.000 Pfund, knapp 500.000 Euro oder 730.000 US-Dollar entsprechen. Die Höhe der Summe macht deutlich, dass die Firma RGM Sound Ltd. bis zu diesem Zeitpunkt eine hochprofitable Zweimann-Hitmaschine war. Die Entscheidung, sich von Banks zu trennen, hat Meek wenig Glück gebracht; mehr dazu im Kapitel 8.
Meeksville Sound Ltd. Sicherheitshalber, um alle eventuellen Nachforderungen von Banks auszuschließen, löste Meek die Firma gleich komplett auf und gründete eine neue: "Meeksville Sound Ltd." (wohl ein freundlicher Gruß an das Motown-Label und dessen Slogan "Hitsville, U.S.A."). Als neuen Teilhaber nahm Meek den Showunternehmer Thomas "Tom" Shanks in diese Firma auf. Shanks war mit nur 1 Prozent an Meeksville beteiligt; Meek wollte in erster Linie auf diese Weise dessen gute Geschäftsverbindungen für sich nutzen. Die hatte Shanks in der Tat. Unter anderem war er Geschäftsführer der Firma Petula Clark Ltd. Diese Sängerin - bekannteste Hits Downtown (1964) und Don't Sleep In The Subway (1967) - war die erste Künstlerin in England, die für ihre Vermarktung eine eigene Firma gegründet hatte. Möglicherweise ließ sich Meek überhaupt nur deshalb auf die Partnerschaft mit Shanks ein, um die damals in England hocherfolgreiche Petula für Meeksville zu gewinnen. Geklappt hat es nicht.
Meeksville-Briefkopf
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