JOE MEEK


 

Joe-Meek-Platten in Deutschland

Teil 3: Deutschsprachige Aufnahmen mit dem Originalinterpreten

( here!)

 

Viele internationale Künstler, von Connie Francis über Petula Clark bis zu Johnny Cash beglückten die deutschsprachigen Hörer von den späten Fünfzigern bis hinein in die frühen Siebziger mit selbstgesungenen deutschen Versionen ihrer Songs. Aus Sandie Shaws Puppet On A String wurde ein Wiedehopf im Mai, Johnny Cashs Five Feet High And Rising kam als Wo ist zu Hause, Mama? daher, und statt Needles And Pins lieferten die Searchers 1000 Nadelstiche.

Auch an Joe Meek ging diese Welle nicht spurlos vorüber, wenngleich das Ergebnis eher bescheiden ausfiel: Nur fünf Singles mit deutschen Versionen produzierte Meek mit seinen Künstlern zwischen 1961 und 1964, und lediglich eine davon war einigermaßen erfolgreich. Alle deutschen Produkte aus Meeks Küche finden Sie künstleralphabetisch im Folgenden.

 

 Interpret Titel Jahr Label Bestell- Nr Track

 

 Carter, Lewis & The Southerners Party Baby (Two Timin' Baby) 62-12? Telefunken U 55526 B

 

 

Auf der unten gezeigten Teldec-Informationsschallplatte vom November 1962 wird die Carter-Lewis-Platte mit Bestellnummer angekündigt. Es gibt aber Hinweise darauf, dass die Single erst im Januar oder Februar 1963 erschien.

Soviel immerhin ist sicher: Party Baby ist die deutsche Version von Two Timing Baby, einer Komposition von Barry White (= Robert Charles Kingston; er war auch einer der beiden Teilhaber des Musikverlages Southern Music) mit einem Text von Geoff Goddard, die im Dezember 1961 auf dem britischen Ember-Label erschien. Den deutschen Text schrieb Joe Menke.

Lange Zeit war umstritten, ob und wie Joe Meek an der Produktion von Two Timing Baby beteiligt war und ob man auch der deutschen Fassung Party Baby eine direkte oder indirekte Beteiligung Joe Meeks noch zuschreiben kann. (Mit der A-Seite, Darling, hatte er definitiv nichts zu tun.) John Carter selbst hat in einem Interview gesagt: "The Ember tracks were recorded at Joe Meek's studio in Holloway Road and engineered by Joe" ("Die Ember-Stücke wurden in Joe Meeks Studio in der Holloway Road eingespielt und von Joe aufgenommen"). Man beachte, dass er "engineered by Joe" sagt, nicht "produced by Joe", und wir dürfen sicher sein, dass ihm als Vollprofi der Unterschied bewusst war. Produzent der Aufnahme war in der Tat Terry Kennedy, Meek betreute sie lediglich als Balance Engineer. Dadurch erklärt sich das Klangbild, das zu flach und zu wenig komprimiert ist, um eine wirkliche Meek-Produktion zu sein.

Ob Two Timing Baby in Meeks Studio oder anderswo aufgenommen wurde, ist allerdings trotz Carters Aussage unsicher, denn kein Geringerer als der Chef von Ember Records selbst, Jeffrey Kruger, hat gegenüber der Joe Meek Page erklärt, er sei sicher, dass dieses Stück nicht in Meeks Studio aufgenommen wurde. Heute, nach fast 50 Jahren, wird nicht mehr zu klären sein, wer sich da falsch erinnert.

Noch schwerer ist der deutschen Version beizukommen. Im englischen Original hören wir außer John Carter und Ken Lewis selbst Albert Lee an der Gitarre, Chas Hodges am Bass, Bobby Graham am Schlagzeug und Geoff Goddard am Klavier. Es ist zwar möglich, dass für Party Baby das Backing-Tape (oder eine frühere Produktionsstufe) dieses englischen Originals verwendet wurde, aber aus zwei Gründen ist es doch eher unwahrscheinlich: Zum einen ist im GEMA-Werkverzeichnis für dieses Stück ein musikalischer Sub-Bearbeiter - der Arrangeur Erich Sendel - angegeben, was bei Verwendung des Originalbandes keinen Sinn ergeben würde. Zum anderen fällt das Klangbild von Party Baby gegenüber dem Original deutlich ab und klingt noch weniger "meekisch" als schon Two Timing Baby. Leider lässt sich heute nicht mehr feststellen, wo und mit welchem Produzenten der deutsche Gesang aufgenommen wurde. Folglich wird wohl ungeklärt bleiben, ob Party Baby noch Spurenelemente einer Meekschen Mitwirkung aufweist.

Fragen dieser Art mögen leicht überspannt klingen, doch man bedenke folgendes: Eine Platte, die Joe Meek mit Sicherheit zugeordnet werden kann, erreicht sofort einen höheren Sammlerwert. Deshalb hat mancher Second-Hand- und Internet-Auktionshändler ein ganz handfestes Interesse daran, Produktionen wie Party Baby als gesicherte Meek-Produktion darzustellen.

Carter & Lewis übrigens nannten sich später The Ivy League, aus denen wiederum The Flowerpot Men wurden. Diese gingen 1967 als klassisches "One Hit Wonder" mit Let's Go To San Francisco in die Popgeschichte ein. John Carter (= John Shakespeare) war der Sänger des Welthits Winchester Cathedral mit der New Vaudeville Band (1966); da er aber keine Tourneen machen wollte, zog er sich aufs Songschreiben zurück. Einige große Hits aus seiner Feder waren Knock Knock Who's There? mit Mary Hopkin (1970), Dreams Are Ten A Penny mit Kincade (1973) und Beach Baby mit First Class (1974). Unter seinem wirklichen Namen schrieb Carter Filmmusiken, außerdem war er als Komponist von Werbejingles aktiv. Ken Lewis (= Kenneth James Hawker) schrieb zunächst weitere Songs zusammen mit Carter, unter anderem Is It True? für Brenda Lee und den U.S.-Nummer-1-Hit Can't You Hear My Heartbeat für Herman's Hermits (1965). Er erkrankte später an Depressionen und zog sich 1971 ins Privatleben zurück.

 

 Leyton, John Wann bist Du bei mir? (Son This Is She) 62-02 Electrola E 22089 A

 

 

Normale Ladenversion

 

Unverkäufliches Muster

 

Promo-Version in einer neutralen Hülle, die nur für Promotion-Exemplare verwendet wurde

Son This Is She ist ein Leyton-Klassiker mit mystischem Text, zuckersüßem Engelschor und einer an Roy Orbisons Schicksalsballaden erinnernden Bolero-Rhythmik. Musik und Text wurden geschrieben von Geoff Goddard, der deutsche Text stammt von Karl Heinz Reichel.

Es existiert auch eine Version dieses Songs in französischer Sprache: John, c'est l'amour; der französische Subtexter ist leider nicht ausfindig zu machen. Die französische Fassung ist allerdings bislang noch bei keiner Plattenbörse aufgetaucht, auch Labelscans sind nicht bekannt, daher kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass sie damals überhaupt veröffentlicht worden ist.

Beide Versionen, die deutsche wie die französische, sind textlich, klanglich und technisch schwächer als das englische Original. Mit Sicherheit sind beide während derselben Session im Dezember 1961 aufgenommen worden; die musikalische Leitung lag in der Hand von Charles Blackwell, der auch schon für das Originalarrangement verantwortlich zeichnete. Der Hörvergleich mit der englischen Fassung lässt vermuten, dass das Stück weitgehend neu eingespielt wurde, möglicherweise auf der Basis einer frühen Produktionsstufe des Originalplaybacks. Sprachlich wurde Leyton von Mike Sarne (= Michael Scheur) gecoacht, der ihm die Texte auch phonetisch aufgeschrieben hatte.

Den Sprung in die deutschen Charts hat die Platte nicht geschafft. Die B-Seite, Six White Horses, ist die originale Version in englischer Sprache.

 

 Leyton, John Eine kann meine nur sein (The Great Escape March) 63-06 Electrola E 22540 A
 Leyton, John Einmal ist keinmal (I'll Cut Your Tail Off) 63-06 Electrola E 22540 B

 

 

Die A-Seite wurde geschrieben von keinem Geringeren als dem berühmten Filmkomponisten Elmer Bernstein (in der Tat ist das Original dieses Songs ja eine Filmmusik), Leytons Gesangsfassung ist aber eindeutig eine Nummer aus dem Kuriositätenkabinett. Der deutsche Text stammt von Kurt Hertha. Auch die B-Seite bewegt sich auf diesem Level; Musik und Text stammen von Johnnie Worth (= Les VanDyke; unter diesem Namen schrieb er einige Hits für Adam Faith), den deutschen Text lieferte Jean Nicolas (= Camillo Felgen). Man darf den deutschen Subtextern ein Kompliment machen; sie haben in diesem Fall den Geist der englischen Vorlagen in beiden Fällen punktgenau getroffen. Technisch unterscheiden sich beide Aufnahmen kaum von den englischen Originalen. Offenkundig wurden die originalen Backing-Tapes verwendet, und es spricht nichts gegen die Annahme, dass der deutsche Gesang in Meeks Studio aufgenommen wurde. Sprachlich gecoacht wurde Leyton auch hier wiederum von Mike Sarne (= Michael Scheur).

Der Einzug in die deutschen Charts ist dieser Platte ebensowenig geglückt wie ihrem Vorgänger. Weitere Versuche in deutscher Sprache hat John Leyton danach nicht mehr unternommen.

 

 Tornados Life On Venus (German-spoken Intro) 63-03 Decca DL 25105 B

 

 

"Hallo, hallo, hier Tornado X-13. Empfange soeben Signale von der Venus, die sich wie Orgelmusik anhören. Es ist somit möglich, dass es auf der Venus Lebewesen gibt!" - Es ist nicht mehr zu klären, ob diese deutsche Einleitung zu Life On Venus auf Meek selbst zurückgeht oder auf Veranlassung der Plattenfirma Teldec eingefügt worden ist. Auch, wer der Sprecher war, lässt sich nicht mehr herausfinden.

Die originale Version von Life On Venus mit dem englischen Einleitungstext ist in Deutschland nicht erschienen.

 

 Honeycombs Hab' ich das Recht (Have I The Right) 64-06 Vogue DV 14210 A
 Honeycombs Du sollst nicht traurig sein (Please Don't Pretend Again) 64-06 Vogue DV 14210 B

 

 

Für Fans sind diese deutschen Fassungen von Have I The Right und der B-Seite Please Don't Pretend Again besonders interessant: Nachdem die Band die Playbacks und den englischen Gesang aufgenommen hatte, hat Joe Meek die Gesamtaufnahme von Have I The Right einer Nachbearbeitung unterzogen, wie sie wohl nur ihm einfallen konnte: Er ließ die Bandmitglieder und einige weitere Personen auf der Holztreppe zum Studio den Takt trampeln und nahm diesen Radau mit fünf Mikrofonen auf, die er mit Fahrradklammern am Geländer befestigt hatte. Zudem wurde mit einem Tambourin direkt auf ein Mikrofon eingeschlagen. Danach wurden, wie bei Meek üblich, die Aufnahmen beider Titel beschleunigt und bis zum Gehtnichtmehr komprimiert. (Dennis D'Ell, der Sänger der Honeycombs, hat seine beschleunigte Stimme gehasst, zumal dieser Klang bei Liveauftritten nicht reproduzierbar war.)

Der deutsche Gesang beider Titel wurde ebenfalls in Meeks Studio aufgenommen, und es wurden die originalen Backing-Tapes verwendet. Das Mastering fand aber dann in Deutschland statt, deswegen fehlt in beiden Fällen die Meeksche Nachbearbeitung. Schwer zu sagen, weshalb Meek darauf verzichtet hat - vielleicht war es ihm zu aufwendig, das Treppengetrampel zu wiederholen; möglicherweise wollte er auch einfach nur keinen weiteren Krach mit seinen Vermietern riskieren, die sich heftigst über den Lärm im Treppenhaus beschwert hatten. Wie auch immer, im Endergebnis bieten die deutschen Versionen beider Titel dadurch nun die einzigartige Gelegenheit, zu hören, wie die Band ohne Meeks nachträgliche Klangzaubereien klingt. Der Unterschied ist frappierend. Da im übrigen wegen der fehlenden Beschleunigung die deutschen Fassungen länger waren als die englischen Originalfassungen, wurde in Hab ich das Recht eine komplette Strophe weggeschnitten - was allerdings dazu führte, dass das Stück nun 25 Sekunden kürzer war als das Original. Im Fall der B-Seite hat man die längere Dauer stehen lassen; sie macht ca. 20 Sekunden aus.

In Wikipedia wird der deutsche Text von Have I The Right fälschlich Camillo Felgen zugeschrieben; offenkundig eine Verwechslung aufgrund des Pseudonyms "Lee Montague", das Felgen gelegentlich verwendete. Der tatsächliche Autor ist Lawrence Montague (= Lawrence "Larry" Yaskiel, damals Geschäftsführer von Vogue Schallplatten in Königswinter, später Leiter des deutschen Büros der Robert Stigwood Organisation (RSO) und der Agentur Antenna in Hamburg); er fungierte bei den Aufnahmen auch als Sprachcoach. Der Text von Du sollst nicht traurig sein stammt von dem späteren Schlagersänger und Produzenten Michael Holm (= Lothar Bernhard Walter, der in den achtziger Jahren mit seinem New-Age-Musikprojekt Cusco auch international bekannt wurde). Die GEMA-Datenbank gibt im übrigen für die deutschen Versionen eine musikalische Sub-Bearbeitung durch den Arrangeur Herbert Gabriel an, doch ist nicht zu ergründen, worin diese bestanden hat - möglicherweise geht die Kürzung auf ihn zurück.

Have I The Right in der Originalfassung stieg am 3. Oktober 1964 in die deutschen Charts ein und hielt sich dort 14 Wochen; die höchste Position war Platz 21. Die deutsche Fassung erschien erstmalig am 14. November in den Charts und verblieb dort für neun Wochen, höchste Placierung: ebenfalls Rang 21.

 

Various Artists: Twen-Party 1965

 Honeycombs Hab' ich das Recht (Have I The Right) 65-00 Vogue/Mode Schallplatten MIDS 16040 A7

 

Sampler, darauf der deutsche Hit der Honeycombs.

 

 


Info & Abb.: Harald Bluschke, Barry Cleveland, Honeycombs, Jeffrey Kruger MBE, Bernd Matheja, Brian Matthew (BBC), Thomas Meyer, Gerd Miller, Jörg Richard, Lawrence "Larry" Yaskiel; CD booklet "Diamond Joe", Rock'n'Roll-Schallplattenforum


[Home] [Joe Meek Portrait] [Complete Recordings] [Meek Compositions] [Goddard Compositions] [Triumph Story] [CD Discography] [Noten/Scores] [Telstar Cover Versions] [Meek in Germany] [Literature, Documentaries etc.] [Miscellaneous] [Links] [About] [Contact] [Sitemap]


© 2006 Thomas Meyer, Jan Reetze

last update: Sep 22, 2016